Die mittlerweile zahlreichen „Therapeutenlisten“ – in der Regel ohne Hinweise auf die medizinische Qualifikation des Therapeuten – und eine Fülle von Anfragen interessierter, jedoch verunsicherter Menschen waren für mich Anlass, die Anwendung der Dorn-Methode einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen.
Vor nunmehr etwa 30 Jahren erfuhr Dieter Dorn an sich selbst diese wunderschöne und sanfte Art des Behandelns und lernte und lehrte die Methode in der Folge selbst. Damals war ihr heutiger Stellenwert als „Dorn-Methode-Therapie“ innerhalb der alternativen Heilmethoden sicherlich noch nicht vorauszusehen.
Um sich jedoch in Zukunft als anerkannte Heilbehandlung präsentieren und schließlich etablieren zu können, muss die Methode den Weg in die Seriösität finden. Nur dann wird sie unumstritten anerkannt werden und auch im Abrechnungskatalog der Krankenversicherungen zu finden sein. Positive Reaktionen gibt es bereits:
Ein Kölner Mediziner, Facharzt für Orthopädie und Chirotherapie, ist von der Dorn’schen Behandlung überzeugt. Auf seiner Überweisung steht: „Chirotherapeutische Anwendung nach Dorn“!
Die anfangs erwähnten „Therapeutenlisten" enthalten Behandler, die die Dorn-Methode bei einem anerkannten Ausbilder erlernt haben und anschließend autorisiert wurden, sie anzuwenden. Hier muss die Frage erlaubt sein: An wem?
Bereits Koch/Steinhauser führen in ihrem Buch „Die Dorn-Methode“ hierzu aus:
In eigener Verantwortung dürfen Laien sich selbst und ihren Freunden und Verwandten helfen, sofern die Hilfe spontan, gelegentlich und unentgeltlich erfolgt.
In der Praxis sieht es leider oft anders aus. In den „Therapeutenlisten“ finden sich überwiegend Laien – also Menschen aus verschiedenen Berufsgruppen. Hier findet sich beispielsweise die Hausfrau, der Arbeiter, der Zahntechniker, die Kosmetikerin, die Fußpflegerin, der Fahrschulinhaber. Kurz: Es handelt sich hier vielfach um Personen, die die Dorn-Methode nicht nur in dem von Koch/Steinhauser erwähnten, relativ kleinen Kreis ausüben, sondern „professionell“, also gegen Honorar.
Diese Tätigkeit ist nicht legitim, sie verstößt gegen bestehendes Gesetz.
Jede Behandlung am Menschen durch Laien, auch die Behandlung von Gelenken oder das Richten eines verschobenen Wirbels etc. ist nicht gesetzeskonform. Ich zitiere aus dem Heilpraktikergesetz vom 17.02.1939:
§ 1 Abs. 1: Wer die Heilkunde, ohne als Arzt bestallt zu sein, ausüben will, bedarf dazu der Erlaubnis.
Abs. 2: Ausübung der Heilkunde im Sinne dieses Gesetzes ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.
§ 5: Wer, ohne zur Ausübung des ärztlichen Berufes berechtigt zu sein und ohne eine Erlaubnis nach § l zu besitzen, die Heilkunde ausübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Kommentar zu § 1 Abs. 2:
Von einer berufsmäßigen Ausübung der Heilkunde kann dann gesprochen werden, wenn sie von jemand relativ regelmäßig durchgeführt wird, sogar wenn nur Wiederholungsabsicht besteht, selbst wenn sie nicht gegen Entgelt ausgeübt wird.
Die Kommentierung zu § l Abs. 2 HPG lässt nur eine Interpretation zu: Jeder Mensch, der die Dorn’sche Behandlung praktiziert, ohne Arzt oder Heilpraktiker zu sein, verstößt gegen bestehendes Gesetz.
Unbestritten ist sicher, dass Laien die Dorn-Methode oft mit mehr Sensibilität, Liebe und Zuneigung zum Mitmenschen und damit erfolgreicher ausüben können als der Arzt oder Heilpraktiker. Dies ändert jedoch nichts an der bestehenden Gesetzeslage.
Ein sehr wichtiger Aspekt ist hier auch der Schutz des Therapeuten vor möglichen Konsequenzen einer Dorn’schen Behandlung. Ich spreche hier konkret den Regressanspruch des Patienten aus einer Behandlung an. Generell wird – auch in der Literatur – gesagt, die Dorn’sche Methode sei im Gegensatz zur chiropraktischen Anwendung gefahrlos. Gewiss hat die Dorntherapie entschieden weniger Kontraindikationen als die Chiropraktik. Doch gefahrlos und damit garantiert völlig risikolos für Anwender und Patient ist auch die Dorn-Methode wohl nicht.
Ein Beispiel 1): Dem Therapeuten mit medizinischem Know-How ist fraglos der Begriff der arteriellen Dissektion – die Aufspaltung zwischen Media und Intima infolge von Arteriosklerose – bekannt. Eine derartige Dissektion kann natürlich auch im Bereich der Arterie vertebralis vorhanden sein. Durch geringfügige Manipulation – kein chiropraktischer Eingriff – während der Untersuchung, Diagnose und Behandlung – Drehung des Kopfes nach lateral, einer Anteversion respektive Retroversion – kann es zur Mobilisation eines Gerinnungspfropfes kommen, der mit dem arteriellen Blutstrom in ein nachgeschaltetes Gefäßgebiet ausgeschwemmt wird. Dort verlegt er eine Arterie kleineren Kalibers, möglicherweise eine Hirnstammarterie, mit der Folge eines Hirnstamminfarktes.
Die spontane Dissektion der Arterie vertebralis ist sicher ein sehr seltenes Ereignis. Doch wenn sie eintreffen sollte, kann sie für den Patienten fatale Folgen haben. Für den Behandler ebenfalls, sofern dieser kein Arzt oder Heilpraktiker ist. Ärzte oder Heilpraktiker können derart tragische Fälle und mögliche Regressansprüche des Patienten vom Berufshaftpflichtversicherer überprüfen lassen, der Laientherapeut nicht.
Die professionelle Behandlung gehört also ausschließlich in die Hände des Arztes oder Heilpraktikers, oder – auf Anordnung/Überweisung – auch in die Hände von Physiotherapeuten mit einer qualifizierten Ausbildung zum Dorntherapeuten.
Mir ist bewusst, dass ich mir mit diesem Artikel nicht nur Freunde schaffen werde und er zu Diskussionen führen wird. Immer wieder wurde ich durch meine Seminartätigkeit – überregional und im Ausland – mit Fragen zu dieser Thematik konfrontiert. Dies hat mich schließlich dazu bewegt, die Anwendung der Dorn-Therapie rechtlich zu hinterfragen, – um dieser wunderschönen Therapieform zum Durchbruch als anerkannte Heiltherapie zu verhelfen.
Quellenangaben
1) Hier beziehe ich mich auf Literatur und die medizinisch-wissenschaftlichen Arbeiten von Professor Hufhagel, Klinikum Essen.