Die Subluxation des Hüftgelenks, die Verschiebung des Hüftkopfes in der Hüftgelenkspfanne ist eine der umstrittensten Annahmen, welche in der medizinischen Fachwelt im Zusammenhang mit der Dorn Methode kontrovers diskutiert wird.
Ich werde versuchen die anatomischen Fakten darzustellen und danach eine Diskussion und Interpretation anzuschließen.
Fakten:
- Die Hüftgelenkspfanne ist nach ventral(vorne) flacher als dorsal(hinten) und kranial(oben).
- Am Übergang des corpus ossis ilii und der SIAI zur eminentia iliopubica (iliopectinea) macht der Knochen einen leichten Bogen nach ventral (Bild bei Sobotta II S. 1165 – 66)
- Der Limbus acetabuli ist vom corpus ossis ischii bis zur SIAI höher, direkt am Übergang zur SIAI befindet sich eine Lücke / Aussparung (incisura acetabuli). Diese Lücke wird vom labrum acetabulare überbrückt, ein faserknorpeliger Ring, der am Pfannenrand fixiert ist. Da die Lücke aber nur durch Faserknorpel und nicht ossär verstärkt ist, ist die Stabilität und Sicherung der Hüftkopfes an dieser Stelle prozentual geringer.
- Nach Kapanji wird der Femurkopf von der Hüftgelenkspfanne nicht völlig bedeckt. Die Größenverhältnisse von Kopf zu Pfanne sind so ausgeprägt, dass die überknorpelte vordere und obere Partie des Hüftkopfes frei ist.
Eine völlige Flächendeckung wird nur bei einer Bewegungskombination von Flexion/Abduktion/ Außenrotation erreicht, der Kopf ist vollständig in die Pfanne „hineingedreht“. Diese Gelenkstellung entspricht der Quadrupedenhaltung (Vierbeiner), demnach der eigentlich funktionellen Stellung im Hüftgelenk.
Nach Kapanji ist der Schritt der Evolution, der den Menschen von der quadrupeden zur bipeden Fortbewegungsweise stimulierte, für das sich nicht vollständige Decken der Gelenkflächen des Hüftgelenks verantwortlich.
Durch diesen Schritt der Evolution hat der Mensch an Stabilität im Hüftgelenk eingebüßt. Die Aufrichtung aus der Quadrupedenstellung bedingt einen gleichsinnig spiraligen Verlauf der Bänder um den Femurhals. Die Extension spiralisiert die Bänder, die Flexion entspiralisiert sie. In der Nullstellung im Stand und in der Streckung ist der Femurkopf durch die Kapsel und die spiralisierten Bänder gut gesichert.
Auch nach Bertolini erfährt nur die Hüftflexion keine Bandhemmung, da sich bei der Flexion alle Bänder entspannen.
Wie Kapanji zeigt, ist die Beugestellung des Hüftgelenkes aufgrund des entspannten Zustandes der Bänder eine instabile Stellung. Wird die flektierte Stellung noch adduziert, wie beim Überschlagen der Beine beim Sitzen, genügt eine geringe Kraft, um eine Luxatio posterior (Luxation nach hinten) zu bewirken.
Überlegungen, Anwendung der oben genannten Fakten auf die Dorn Methode:
Kapanji geht von einer vollständigen luxatio posterior aus ( Kap.II, S. 36,37), wie sie z.B. bei einem Frontalaufprall im Auto vorkommen kann.
Die oben genannten anatomischen Fakten, die den ventralen Bereich der Hüftgelenkspfanne und den vorderen/oberen Teil des Femurkopfes an Stabilität verlieren lassen, zeigen, dass die Hüftgelenks Flexion/Adduktion die instabilste Gelenkstellung ist. Beim Übereinanderschlagen der Beine könnte es eventuell über eine passive Hebelwirkung bei in Flexion/Adduktion lockerer Bänderschraube zu einer geringen Verschiebung des Hüftkopfes nach ventral kommen. Beim Aufstehen spannt die ausgeführte Extension die Bänderschraube um das Hüftgelenk und den Schenkelhals wieder spiralisch, und die veränderten Spannungszustände der Gewebe der Kapsel und der Bänder könnten mit dazu beitragen, dass die Propriorezeptoren (Rezeptoren für Druck,Gleichgewicht usw.) nicht 100% belastet und gereizt werden. Der Veränderte Zug der Gewebe nach ventral führt zu Spannungsänderungen in den transversal verlaufenden Muskeln, besonders der Mm. Piriformis und obturatorius externus.
Die Sehne des M.obturatorius externus gleitet in einer Rinne unmittelbar am Kapselansatz dorsal. Einige der Fasern strahlen direkt in die zona orbicularis ein.
Durch die Spannungsänderung werden die Muskeln in eine Dehnposition gebracht, in welcher sich reflektorisch der Tonus erhöht.
Auch der M. gluteus minimus gerät mit bestimmten Fasern unter Zug, besonders da an seiner Unterseite eine aponeurotische Sehne in die obere Randpartie des Lig. Iliofemorale einstrahlt.
Bei extremer Beugung kann die vordere, obere Fläche des Femurhalses an den Pfannenrand anschlagen (Kapanji II S.24,25). Die instabile Flexionsposition des Hüftgelenkes wird nun noch instabiler durch die Hebelwirkung des anschlagenden Femurhalses.
Ausblick:
Die in der Theorie angeführte Subluxation des Hüftgelenkes als Ursache für Beinlängendifferenzen ist auf Grund der Stabilität der Kapsel und der Bänder des Hüftgenkes nach heutigem Stand der Wissenschaft nicht haltbar.
Dennoch lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass bestimmte anatomische Gegebenheiten dazu führen, dass das Hüftgelenk durch bestimmte Verhaltensweisen in seinen Spannungs- und Positionsverhältnissen verändert werden. Diese Änderungen haben Einfluss auf die Körperstatik und so ist das „Dorn’sche Manöver“ der Hüftgelenksbehandlung auf jeden Fall nützlich, um den Femur in der Pfanne zu zentrieren, und so jede weitere Behandlung des Körpers auf einer guten Grundlage aufzubauen.
Ebenso sollten das Überschlagen der Beine im Sitzen sowie die extreme Beugung der Hüfte unter Belastung vermieden werden.