Ein ganz gemeiner Hexenschuss stand am Anfang
Wir betreiben ein Sägewerk und bewirtschaften einen kleinen Bauernhof.
Irgendwann passierte mir im Sägewerk ein Missgeschick, das mein Leben verändern sollte: Ich hob einen Baumstamm ungünstig von der Seite heraus an und verspürte plötzlich einen eigenartigen leichten Riss im unteren Rücken. Danach konnte ich mich nicht mehr aufrichten. Mit Mühe schaffte ich es gerade noch, mich bis zum nächsten Sofa zu schleppen. Ich dachte, dass sich die Sache in einer Viertelstunde von selbst lösen würde, doch das war nicht der Fall. Ich kam nicht mehr vom Sofa hoch und musste mich herunterwälzen, auf den Boden legen und brauchte eine Viertelstunde, um Millimeter für Millimeter hochzukommen. »Was jetzt?«, fragte ich mich, »Gehe ich zu einem Arzt? zu einem Einrenker? oder was sonst?«
Der Einrenker
Zu einem Arzt bin ich damals nicht gegangen. Deshalb kann ich nicht sagen, ob ein Arzt mir hätte helfen können. Möglicherweise wäre eine Bandscheibenoperation herausgekommen. Mir ging es auch um Zeitersparnis, und ich musste an einen alten Bauern denken, den ich als junger Mann ausgelacht hatte. Ausgelacht, weil ich Rückenprobleme und die damit verbundenen Schmerzen nicht kannte. Zu diesem Josef Müller, dem Schloss-Bauern in unserem Ort, ließ ich mich bringen. Er sagte mir mit einer Geste: »Krumm kommen die Leute rein, und gerade gehen sie wieder raus.«
Und tatsächlich: Ich musste mit einem Bein schwingen, während er mir von hinten mit dem Daumen ins Kreuz drückte, und schon war der Schmerz weg. Alles ging ganz schnell. Dieser Josef Müller hatte die Methode vor langer Zeit von einer alten Bäuerin abgeschaut, einer kleinen einfachen Frau, die zu ihm in die Stallungen gekommen war, um das Vieh einzurichten, und die auch die Dienstboten behandelt hatte. Seit meiner Jugend behandelte Josef Müller jetzt die Leute aus dem Dorf, etwa ein oder zwei Menschen im Monat.
Als ich ihn im Anschluss an die Behandlung fragte: »Kann man das lernen?«, antwortete er: »Du brauchst es nicht zu lernen, du kannst es.« Ich war verwundert, und irgendwie reizte mich die Sache. Doch als ich ihm zum Dank eine Flasche Wein bringen wollte, war er aufgrund einer Krankheit nicht mehr ansprechbar. Vier Wochen später lag er im Koma und acht Wochen später starb er. Die Methode musste ich mir also vollständig selbst erarbeiten.
Die Kopfschmerzen meiner Frau
Meine Frau litt damals seit 15 Jahren an Kopfschmerzen. Sie hatte fast alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Ein Professor aus Ravensburg hatte anhand eines Röntgenbildes festgestellt, dass bei ihr zwei Querfortsätze der Wirbel viel zu lang waren. »Diese drücken auf den Nerv, man müsste sie abmeißeln«, so die Ansicht des Mediziners.
Ich glaube jetzt, dass die Wirbel nur verdreht waren, und auf dem Röntgenbild dadurch eine Art optische Täuschung entstand. Nach der Diagnose des Professors hatten wir damals das Gefühl, nichts zu verlieren zu haben und ich sagte meiner Frau: »Wir machen das jetzt genauso, wie der alte Mann das bei mir gemacht hat.« Gesagt, getan: Ich habe die zwei Querfortsätze mit den Fingern ertastet und drückte dann vorsichtig, so dass sie schön gleichmäßig saßen. Es funktionierte, die Kopfschmerzen waren danach weg.
»Ich bin ganz instinktiv vorgegangen.«
Die Nachbarin
Dann ging es bald los. Vierzehn Tage oder drei Wochen später war unsere Nachbarin dran. Sie war eine allein stehende Person, im Haus nebenan, und hatte immer bei uns die Milch abgeholt. Als einmal der Platz für ihre Milchkanne leer blieb, sagte ich meiner Frau: »Wir müssen mal rüberschauen, was da los ist, sie könnte ja tot im Bett liegen.«
Wir gingen hinüber und fanden unsere Nachbarin im Bett liegend vor. Sie konnte sich nicht mehr rühren und klagte: »Mir tut der ganze Fuß so weh, ich kann keinen Millimeter mehr rauf tun.« Ich fragte: »Darf ich schauen?« – »Ja, gern.«
Mich interessierte, was es sein könnte. Der Erfolg bei meiner Frau hatte mich derart angespornt, dass ich dachte, vielleicht auch hier helfen zu können. Zu meinem Erstaunen sah ich, dass das schmerzende Bein fünf Zentimeter länger war als das andere. Das kann ja nicht normal sein, dachte ich, das muss mit den Schmerzen zusammenhängen. Unsere Nachbarin berichtete dann, dass sie deswegen schon seit einem Jahr bei einem Arzt in Behandlung sei die verordneten Spritzen und Bestrahlungen hatten bislang jedoch keinen Erfolg gebracht.
Nach meiner Einschätzung war das schmerzende Bein irgendwie aus der normalen Hüftgelenkposition geraten. Aber mir hatte noch niemand gezeigt, wie man eine Hüfte wieder richtet. Ich dachte mir, wenn die Hüfte raus geht, muss sie auch wieder rein gehen und bin ganz instinktiv vorgegangen.
Ich hob das Bein an und schob es wieder in die Hüfte hinein, mit einer Bewegung, die das Bein unter natürlichen Umständen auch macht. Nach dieser Übung waren beide Beine wieder gleich lang. Zwei Stunden später rief die Frau aus dem Fenster heraus, sie könne jetzt wieder laufen, die Schmerzen seien weg und ich solle morgen die Sache noch einmal anschauen.
Unsere Nachbarin ist danach noch bis ins höchste Alter jeden Tag zur Kirche gegangen, die einen Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Bergrückens lag.
Der humpelnde Bauer
Mein nächster Fall war ein Bauer, den ich nie anders als humpelnd gekannt hatte. Bei ihm war deutlich sichtbar, dass ein Bein länger als das andere war. Wie bei unserer Nachbarin gelang es mir, sein längeres Bein wieder in die Hüfte einzuheben.
Drei Wochen später erfuhr ich, dass der Bauer bei Dacharbeiten aus sieben Meter Höhe von einem Gerüst gefallen war. Ich war mir sicher, dass sich sein Hüftgelenk bei dem Sturz wieder ausgerenkt hatte. Aber nichts dergleichen war geschehen: Als er ein Vierteljahr später als Kunde ins Sägewerk kam, zeigte er mir eine 40 Zentimeter lange Narbe am Bein, die Folge der Wunde, die er sich bei dem Sturz zugezogen hatte. Die Narbe befand sich an demselben Bein, das ich behandelt hatte, doch das von mir eingerichtete Gelenk hatte den Sturz unbeschadet überstanden. Das war eine wichtige Information für mich: Das Gelenk war nicht abgenutzt gewesen, denn sonst hätte sich die Hüfte wieder ausgerenkt. Die Erkenntnis, dass es sich bei solchen Gelenkproblemen nicht so sehr um Abnutzungserscheinungen, sondern um echte Gelenkverschiebungen handelt, gab mir viel Mut bei meinem weiteren Vorgehen.
»Die Methode ist mir zugefallen, ich hatte nicht vor, eine Methode zu erschaffen.«
Selbsthilfeübungen
Bald entdeckte ich, dass sich Menschen mit Gelenkproblemen auch selbst helfen können. Ich probierte gemeinsam mit Betroffenen aus, ob es möglich war, dass diese ihre Beine selbst in die Hüfte hoben und die Versuche gelangen. Das war ein weiterer Fortschritt. Die Genesenden konnten nun das Gelenk mit Übungen nachbehandeln, ohne von mir abhängig zu sein.
Unerwartete zusätzliche Wirkungen
Und dann sagten mir meine Wirbelsäulenpatienten hinterher: »Jetzt sind meine Herzschmerzen weg«, oder: »Ich kann wieder besser sehen«, oder: »Mit der Verdauung klappt es auch wieder«, oder: »Der Kleine ist nach der Behandlung kein Bettnässer mehr«, und so fort. Ich wurde stutzig. Wenn das wirklich so war, dann hieße das ja, dass alles mit der Wirbelsäule verbunden wäre!
Ich schaute mich nach Literatur um und fand das Werk eines amerikanischen Arztes und Heilers, der über ein Jahrzehnt in China die einheimische Medizin gelernt hatte: Akupunktur ohne Nadeln von J. V. Cerney. Cerney präsentiert in seinem Buch eine Wirbelsäulenaufstellung mit den dazugehörigen Organen. Er beschreibt treffend, wie die Meridiane mit der Wirbelsäule verbunden sind. Wenn zum Beispiel der siebte Halswirbel verschoben ist, kann die große Zehe schmerzen. Für einen Arzt, der diese Zusammenhänge nicht eingehend studiert hat, ist es schwer, auf diese und andere Zuordnungen zu kommen. Er schaut die schmerzende Zehe an, röntgt sie und gibt eventuell Spritzen. Aber wieso sollte er wissen, dass die Ursache des Problems im siebten Halswirbel zu finden ist?
Ich könnte viele Beispiele für die Zusammenhänge von Wirbeln und Organen anführen. So habe ich einmal eine Nonne behandelt, die eine Zungenlähmung hatte. Ihr Arzt hatte mich gerufen. Ich drückte den zweiten Halswirbel der Nonne wieder in die richtige Position und im gleichen Moment löste sich die Lähmung und alles war in bester Ordnung.
Ein besonders problematischer Fall war dieser: Eine Frau wurde von ihrem Partner zu mir gebracht. Sie war im fünften Monat schwanger, ihr Kreislauf war zusammengesackt, der Puls kaum fühlbar und sie schien richtig benommen zu sein. Ich wollte sie sofort in ein Krankenhaus schicken. Doch sie sagte, da komme sie gerade her. Sie hatte eine Spritze erhalten und war nach Hause geschickt worden. Ich tastete ihre Verdauungsnerven ab, drückte die Wirbel an der richtigen Stelle hinein und war kaum damit fertig, da übergab sich die Frau. Auf der Heimfahrt ging es ihr bereits erheblich besser. Zwei Tage später kam das Paar noch einmal, strahlend.
Folgendes war passiert: Der Magen der Schwangeren hatte nicht gearbeitet, weil die Wirbelnerven, die die Aufgabe hatten, ihn zu versorgen, eingeklemmt waren. Der Magen hatte immer weiter Nahrung aufgenommen und sich aufgebläht, konnte sich aber nicht richtig nach unten ausdehnen, weil das Ungeborene im Bauch den Platz beanspruchte. Daher drückte der Magen nach oben auf Lunge und Herz. Das Herz konnte nun nicht mehr richtig schlagen und deshalb war der Kreislauf zusammengesackt.
Die Bekanntschaft mit Dr. Hansen
Ich experimentierte, forschte und arbeitete mit der Methode weiter. Dann trat 1985 Dr. Thomas Hansen, früher Chirurg und Orthopäde in Bremen, an mich heran. Er suchte eine ganzheitliche Heilweise nur den Körper zu behandeln, genügte ihm nicht mehr.
Nachdem er seine Praxis aufgegeben und in Markt Rettenbach, zwischen Memmingen und Kaufbeuren, ein Haus für Gesundheit eröffnet hatte, hörte er von den Leuten im Ort: »Wenn man etwas im Kreuz hat, muss man zum Dorn gehen, aber der Dorn ist kein Arzt.« Das erstaunte ihn so sehr, dass er sehen wollte, wer ich war.
Beide, Dr. Hansen und seine Ehefrau, hatten Rückenprobleme und haben sich von mir behandeln lassen. Anschließend kam Dr. Hansen auf die Idee, Seminare über meine Methode zu veranstalten. Er versorgte mich kistenweise mit medizinischer Literatur, und sagte: »Aber Herr Dorn, sie müssen Fundamente haben. Sonst können sie sich nicht hinstellen und Seminare geben.«
So war ich bis dahin der Meinung, dass ich bei den von mir behandelten Menschen auf die Bandscheiben drückte. Erst Dr. Hansen klärte mich auf: Es waren die Dornfortsätze, die ich bewegte, und mit der Bewegung dieser Fortsätze bewegten sich auch die Bandscheiben. So laienhaft hatte ich also zugegriffen, und trotzdem hatte es funktioniert!
Dann kam der erste Seminarversuch und es folgten weitere. Ich war fast der Meinung, Seminare zu leiten sei Begabung, so etwas könne man nicht lernen. Erfreulicherweise stellte sich heraus, dass es nicht nur Begabung ist.
Zu jeder Veranstaltung kamen einige Leute, die die Methode intuitiv verstanden. Die Methode sprach sich herum und überzeugte mehr und mehr Menschen.
»So ein Laie war ich! Aber die Sache hat funktioniert.«
Die Methode erhält einen Namen
Auch der Heilpraktiker und Veranstaltungsausrichter Helmuth Koch hatte inzwischen von den Seminaren gehört und diese besucht. Die Methode hatte ihn überzeugt. 1988 fragte er mich schließlich: »Würdest du deinen Namen dafür hergeben?« Ich antwortete ihm, eigentlich könnte ich meinen Namen schon dafür hergeben, denn die Methode sei gewissermaßen von mir. Josef Müller hatte mich damals zwar behandelt, aber lediglich an der Wirbelsäule.
Er wusste nicht, wie man Bein- und Hüftgelenke einrichtet, und hat, so vermute ich, auch nicht mit der Halswirbelsäule gearbeitet. So hatte ich ein gutes Gewissen, als Helmuth Koch die Sache Methode Dorn nannte. Aber mir geht es nicht um den Namen und meine Person.
Und wenn die Methode Huber-Methode oder anders heißen würde, wäre es mir auch recht. Es geht darum, dass die Methode funktioniert und dass sie vielen hilft. Inzwischen bemühen sich viele, die Methode durch Seminare weiterzugeben. Die im kleinen, regionalen Raum geborene Dorn-Methode ist schon keine nationale Sache mehr, sie ist eine internationale Behandlungsmethode geworden.